Unterwegs auf dem Peleponnes (Griechenland).
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Samstag 6.11.20
Nach mehren Tagen Freistehen auf dem wilden und ursprünglichen Kap Tenaro sind wir jetzt auf dem Campingplatz Gythion Bay angekommen. Hier erfahren wir überraschend, dass es in zwei Tagen einen Lockdown für ganz Griechenland geben soll. Eigentlich wollten wir nur 1-2 Tage hier bleiben, um unsere Ver- & Entsorgung zu regeln.
Wir waschen Wäsche und putzen das Womo, updaten und laden alle möglichen technischen Geräte und machen mal wieder klar Schiff. Noch ist noch nicht so richtig klar, inwiefern uns der Lockdown einschränken wird. Restaurants und auch alle Sehenswürdigkeiten müssen voraussichtlich schließen. Die Griechen müssen immer wenn sie das Haus verlassen wollen eine SMS mit dem Grund dafür an die Behörden schicken und erhalten dann ein „Permit“. Unter den Campern und Reisenden herrscht Unsicherheit. Die einen sagen, als Reisender wird es weiterhin möglich sein, von A nach B zu fahren, die anderen packen fast schon panisch ihre Womos und machen sich auf den Weg zur Fähre, da sie Angst haben, nicht mehr nach Hause zu kommen. Im ersten Lockdown (März/April) wurde der Fährverkehr tatsächlich eingestellt… Wir tun vorerst Nichts und warten erst einmal ab…
Am Nachmittag schnappen wir uns unsere Fahrräder und Stefan leiht sich eines aus, damit wir zu viert (Hund Akimba ist auch dabei) alle noch einmal in die nahegelegene Stadt Gythion fahren können bevor alles geschlossen wird. Ein letztes Mal wollen wir schön essen gehen bevor es nur noch Lieferservice geben wird. Das Essen im Hafenrestaurant, mit schönem Blick auf die Stadt, ist leider nicht besonders gut (ein großer Anteil der frittierten Sardinen landet in Akimbas Buch), dafür stellen Stefan und der Kellner fest, dass sie gemeinsame Bekannte haben. Nach zwei Telefonaten (zuerst auf englisch und dann auf bayrisch) ist ein Treffen mit „Kalman“ (eigentlich nur vom Hörensagen bekannt) für morgen ausgemacht. Zufälle gibt‘s.
Zur Feier des Tages gibt es dann noch einen Nachtisch in einem Cafe. Ansonsten ist nicht viel los, sodass wir wieder zurück auf den Campingplatz und somit in den Beginn des Lockdowns radeln.
Samstag 7.11.20
Tag 1 im Lockdown!
Am Morgen lernen wir am Pool erst Marion und dann Tobi kennen. Marion ist eine Woche alleine durch die Berge gewandert und fliegt leider morgen wieder von Athen nach hause. Tobi wird uns zum Glück noch länger Gesellschaft leisten.
Um 11 Uhr warten wir vor dem Campingplatz darauf, zu unserem Blinddate abgeholt zu werden, welches Stefan gestern ausgemacht hat. Die Frau, die uns mit einem Auto - trotz des Lockdowns - abholt, ist sehr nervös und sagt, sie kann nur eine Person mitnehmen und auch nicht den Hund. Also fährt Stefan alleine mit und wir bleiben mit Akimba auf dem Campingplatz. Die Angst vor der 150€-Strafe bei Verstoß gegen die Corona-Auflagen scheint doch groß zu sein.
Wir verbringen mit Marion & Tobi den restlichen Tag mit Slaglinen und Kennenlernen, bis dann Stefan wieder dazukommt und wir alle gemeinsam Bruscetta essen. Leider muss Marion am Nachmittag Richtung Athen aufbrechen. Da es unklar ist, ob sie - im Lockdown - nach Gythion (zur Bushaltestelle) „trampen“ kann, fährt sie Tobi kurzentschlossen mit seinem Campervan „Betty“ dorthin. Die Zeit & Gespräche mit einer anderen Frau haben mir mal wieder gutgetan und ich hätte sie gerne weiter noch vertieft. Auch Marion findet es schade, dass sie nicht länger bleiben kann, doch sie muss am Montag wieder arbeiten.
Samstag 8.11.20
Tag 2 im Lockdown…
Beste Stimmung und keine Spur von Langeweile. Slagline, Beachvolleyball, Schwimmen im Meer und nette Gespräche zu viert (mit Tobi aus München) machen die neue seltsame Situation mehr als erträglich!
Samstag 9.11.20
Tag 3…
Wir laufen am Strand entlang zum nächsten Supermarkt und kehren mit vollgepackten schweren Rucksäcken zurück. Zusätzlich haben wir unterwegs noch Feuerholz eingesammelt… dass wir dann auf den Riesenholzhaufen direkt in der Nähe des Campingplatzes werfen ;) Da haben wir uns wohl umsonst abgeschleppt! Egal, Hauptsache es ist genug Holz da. Nach einer lustigen Runde Tischtennis-Rundlauf grillen wir und machen abends ein gemeinsames Lagerfeuer am Strand.
Samstag 10.11.20
Heute bekomme ich meine Tage. Also Schongang und ein möglichst entspannter Tag mit Podcast hören, Mandala malen und in der Hängematte hängen für mich. Die Anderen lesen oder relaxen am Pool bis eine große Gottesanbeterin zum Fototermin landet. Wie spektakulär die kleinsten Dinge doch sein können, wenn nur die Umstände passen und man in der Lage ist die Augen dafür zu öffnen.
Am Abend macht Tobi Pfannekuchen für uns alle.
Samstag 11.11.20
Auch den heutigen Tag verbringen wir in guter Gesellschaft mit Kartenspielen, Lenkdrachen-steigenlassen am Strand und schwimmen im Meer. Am Abend sitzen wir alle wieder bei Tobi und hören eine wilde Guerilla-Playlist von Abba bis Hardrock… Chefkoch Tobi hat heute Gorgonzola Pasta gemacht.
Samstag 12.11.20
Nachdem der nächste Blogbeitrag geschrieben ist, beschließen wir, am Abend wieder gemeinsam Lagerfeuer am Strand zu machen. Diesmal wollen wir auch Stockbrot zubereiten. Wir sind anfangs etwas unsicher, ob das Feuer machen eine so gute Idee ist, da neuerdings eine nächtliche Ausgangssperre gilt. Trotzdem verbringen wir (mittlerweile zu sechst: Diana & Daniel haben sich spontan angeschlossen) einen lustigen Abend am Feuer… bis wir im nächtlichen Dunst auf einmal ein Auto mit Suchscheinwerfer auf uns zusteuern sehen: jeder greift sich eine Decke oder Geschirr usw. und alle flüchten in Panik auf das Gelände des nahegelegenen Campingplatzes. Falscher Alarm! Es war wohl ein Einheimischer und nicht die Polizei. Nur Tobi und wir zwei kommen wieder aus unseren Verstecken und gemeinsam veranstalten wir bis halb drei eine ausgelassene „Disco“ im Gemeinschaftsraum und schleichen uns spätnachts ,getrieben vom Hunger, doch nochmal zum Lagerfeuer um den restlichen Stockbrotteig zu backen.
Samstag 13.11.20
Bereits eine Woche Lockdown…aber wir wissen es mittlerweile zu schätzen hier angekommen zu sein und machen gemeinsam das Beste aus der Situation. Eigentlich tut es uns auch mal gut „ausgebremst“ und entschleunigt an einem Ort zu verweilen.
Nachdem die Fotos sortiert und hochgeladen sind, halten wir uns vormittags vor allem im Gemeinschaftsraum auf, da es heute vergleichsweise kalt ist und gelegentlich regnet. Als am Nachmittag die Sonne wieder hervorkommt, spielen wir mit Tobi eine Runde Wikingerschach und probieren (bei totaler Windstille) das Windsurfen auf dem Brett von Daniel & Diana (Spitzname „Doppel D“) aus.
Abends bestellen wir Pita beim Lieferservice (der sehr sehr lange braucht) und die Anderen klinken sich nach dem Essen müde aus. Wir spielen noch ein Kartenspiel mit „Doppel D“ bevor auch wir früh ins Bett gehen.
Samstag 14.11.20
Der Tag startet mit einem kleinen Capoeira-Workshop von Sven für Tobi, Gregor und Monique. Später spielen wir nochmals Beachvolleyball und lassen den Lenkdrachen flitzen. Zum Abendessen machen wir gemeinsam griechischen Salat. Mit lauter Musik wird das gemeinsame Abspülen zur lustigen „Spülparty“. Beginnend mit klassischer Musik und am Ende basslastigem Techno.
Samstag 15.11.20
Heute bietet Monique morgens einen Yoga-Workshop an. Fast 10 Leute machen mit und Monique leitet alles auf English an. Sehr lustig und alle Knochen bleiben zum Glück heil.
Am Nachmittag besuchen wir mit Stefan seine Zufallsbekanntschaft Kalman. Dieser hat uns alle eingeladen, ihn und seine Frau in seinem Haus auf den Hügeln oberhalb der Bucht zu besuchen. Nach einer schönen Wanderung durch die Olivenhaine erreichen wir sein hübsches Anwesen und werden herzlich empfangen. Wir genießen die Gastfreundschaft, die tolle Aussicht und probieren leckeres Gebäck und eigene Oliven und Olivenöl, dass sogar Monique schmeckt!
Samstag 16.11.20
Leider reist Tobi aus privaten Gründen überraschend ab. Es geht ihm nicht gut und er möchte jetzt lieber bei seiner Familie zu Hause sein. Bis zur Fähre in ein paar Tagen möchte er nicht mehr warten also macht er sich kurzentschlossen mit seinem Camper „Betty“ auf den Weg, um noch in der Nacht die Fähre von Patras nach Italien zu erwischen. Sehr Schade und wir sind traurig, dass die gemeinsame Zeit hier endet, aber wir sehen uns auf jeden Fall wieder!
Am Nachmittag trauen wir uns dann, zum ersten Mal seit dem Lockdown, eine längere Strecke außerhalb des Campingplatzes mit dem Camper zu fahren. Unser Ziel ist der etwa 17km entfernte LIDL. Da nur die Einheimischen einen „Permit“ (Erlaubnis für Fahrten während des Lockdowns) per SMS bekommen, müssen die ausländischen Reisenden ein entsprechendes Dokument ausfüllen und bei sich führen. Erlaubte Gründe zum Verlassen des Zuhause sind neben Arzt/Apothekenbesuch/Pflege von Verwandten/Sport eben auch das Einkaufen von notwendigen Lebensmitteln. Also auf zum Großeinkauf! Etwas mulmig ist uns zuerst schon, immerhin befindet sich in der nahegelegenen Bezirkshauptstadt Gythion die einzige Polizeistation des gesamten Bezirks Mani, aber die vorbeifahrenden Polizeiwägen beachten uns zum Glück nicht. Nach mehr als einer Woche Zwangspause kommt uns die Fahrt entlang der Küstenstraße wie eine kleine Sensation vor. Wir freuen uns über jeden neuen Ausblick und erst recht über die Schafherde, die uns kurzzeitig die Weiterfahrt versperrt.
Der Großeinkauf dauert fast eine Stunde und kostet 120€. Dafür sind wir jetzt wieder gut eingedeckt und haben im Vergleich zu dem lokalen Supermarkt viel günstiger eingekauft. Wie schon erwähnt sind viele Produkte wie Milchprodukte, Getränke, Kaffee etc. (in den kleinen Läden) teilweise teurer als in Deutschland. Und auf den veganen Next-Level-Burger hat sich Monique schon lange gefreut…
Samstag 17.11.20
Die Olivenernte ist hier auf dem Campingplatz gerade zu Ende gegangen. Einige Camper parken ihre Fahrzeuge jetzt wieder im Olivenhain. Wir bleiben am Strand in erster Reihe stehen, da man hier sowohl Sonnenauf- wie Sonnenuntergang mitbekommt und nach den mittlerweile kühlen Nächten schnell wieder aufwärmen kann.
Wir verbringen den Tag mit Yoga, Spielen, Kochen und laden dabei ein paar Filme und Bücher herunter. Außerdem buchen wir unsere Fähre um: wir werden circa zwei Wochen früher als geplant zurück nach Deutschland fahren. Zum Einen wollen wir bis Weihnachten genügend Zeit für eventuell geforderte Quarantänemaßnahmen haben, zum Anderen wollen wir Moniques Mama zu ihrem Geburtstag überraschen… Wir bereiten uns also schon einmal auf die baldige Weiterfahrt vor. Der Plan ist, den letzten Finger des Peleponnes und ein paar bestimmte Orte noch kurz anzusteuern und anschließend zurück nach Patras zum Fährhafen zu fahren.
Im Tagesverlauf verbringen wir auch noch ein bisschen Zeit mit dem ebenfalls Langzeitreisenden Gregor und seiner Familie (Mimi und den Söhnen Ivo & Leo).
Samstag 18.11.20
Endlich laden wir unseren Blog & Fotos von Griechenland (vor dem Lockdown) hoch.
Ivo kommt häufig vorbei und erzählt uns viel von ihrer Zeit auf Elafonisos. Ein echt aufgewecktes und cleveres Kerlchen!
Unseren letzten Abend in Gythion Bay verbringen wir mit Gregor und den anderen französischen Familien in deren „Wagenburg“ am Lagerfeuer und dann, als es anfängt zu regnen, unter der Markise mit Gregor & Mimi.
Samstag 19.11.20
Zwei Wochen waren wir jetzt auf dem Campingplatz Gythion Bay. Die Zwangspause vom ständigen Weiterreisen hat uns gut getan. Es war sehr schön einmal länger nette Menschen um sich zu haben und endlich mal über den gängigen Smalltalk "Wer bist du und wo kommst du her?" hinaus zu kommen. Mal wieder eine Homebase und Zeit zum Verarbeiten der vielen Erlebnisse zu haben tat uns sehr gut. Doch jetzt, da wir nur noch wenige Tage in Griechenland sein werden, wollen wir beide trotz Lockdown noch ein bisschen vom restlichen Peleponnes sehen. Leider bleiben alle Sehenswürdigkeiten wie Mystras und Epidaurus weiterhin geschlossen.
Wir verabschieden uns vom gesamten Campingplatz und auch vom Löwenhund Akimba, ehe wir hupend davon fahren.
Der Weg führt uns nach Monemvasia. Das alte Dorf ist ein unbeschreiblich schöner Ort. Es liegt auf einer vorgelagerten Insel, die aus einem riesigen Felsen besteht. Über eine schmale Brücke fahren wir bis zum kleinen Stadttor. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß weiter. Herrlich verwinkelte schmale Gässchen ziehen sich durch den Ort, der sich an den großen imposanten Felsen schmiegt, das Meer brandet mit wuchtigen Wellen an die Stadtmauer, die den ganzen Ort umgibt. Der schöne Ort ist menschenleer. Der Weg führt uns hinauf auf das Felsmassiv, wo eine ehemalige Festungsanlage thront. Oben angekommen stellen wir fest, dass das Burgtor (wegen des Lockdowns) mit einer Eisenkette verschlossen ist. Das alte Tor lässt sich aber soweit aufdrücken, das wir kurzentschlossen darunter hindurch schlüpfen… Wir drehen eine kurze Runde zwischen den Ruinen und einer schönen byzantinischen Kirche, ehe wir wieder in den mittelalterlichen Ortskern hinab steigen. Der Ort ist wie ausgestorben, nur ein paar Handwerker renovieren hier und da die schönen alten Steinhäuser. Der Wind bläst heute heftig und riesige Wellen peitschen gegen die Stadtmauer. Aus dunklen Wolken fällt Regen und die Sonne scheint hindurch und schenkt uns noch einen Regenbogen über dem Meer. Monemvasia ist bisher mein absoluter Lieblingsplatz und mein Highlight auf dem Peleponnes. Ein absolutes Muss!
Wir übernachten im Hafen auf der anderen Seite der Brücke mit Blick auf die imposante Felsinsel und genießen die neu entdeckte Zweisamkeit.
Samstag 20.11.20
Wir sind mal wieder lange vor Sonnenaufgang wach, da wir mit der Dunkelheit (gegen 19Uhr) schlafen gegangen sind. Auch hier wird der herannahende Winter spürbar, die Nächte und die Dunkelheit werden immer länger. Als es hell wird, machen wir uns auf den Weg in den Süden des dritten Fingers. Zuerst führt uns eine schmale kurvige Straße weiter die wenig bevölkerte Küste entlang, dann geht es weiter auf einer breiteren Straße durch die Berge. Der Ort Neapoli, den wir ansteuern ist kein Highlight. Zwar geht von hier eine Fähre rüber auf die Insel Elefanissos (mit einem der angeblich schönsten Strände des Peleponnes), aber bei dem nasskalten Wetter ziehen wir lieber weiter. Unser nächstes Ziel ist Leonidio. Unterwegs werde ich aber so müde, dass ich Sven bitte, spontan von der Verbindungsstraße abzubiegen und runter ans Meer zu fahren. Wir landen also zufällig in Marathias und gelangen an eine kaum befahrene Straße direkt am Meer. Die Straße führt zu ein paar verstreuten Häuschen, die aber zur Zeit nicht bewohnt sind und endet nach ein paar hundert Metern. Die wenigen Einheimischen, die vorbeikommen begrüßen und winken uns freundlich. Wir blicken auf menschenleere Strände und eine schöne weitläufige Bucht, in der Ferne ein paar Inseln und ein paar große Schiffe, die vor Anker liegen. Nur ein paar Straßenhunde schauen gelegentlich vorbei. Nach einem Mittagsschläfchen beschließen wir, auch die Nacht hier zu verbringen. Dieser friedliche Ort gefällt uns sehr gut, wir können ungestört frei stehen und genießen die Ruhe.
Am Abend schauen wir uns lange den schönen Sonnenuntergang über dem Meer an. Dabei wird uns bewusst, dass dieser wegen unserer geplanten Reiseroute und der geographischen Lage möglicherweise der vorerst letzte über dem Meer sein könnte.
Samstag 21.11.20
Hängengeblieben!
Dieser ruhige Ort gefällt uns so gut, dass wir nach dem Morgenyoga beschließen, auch heute noch hier zu bleiben. Ein böiger Wind weht, doch die Sonne scheint, sodass wir sogar noch einmal ins Meer springen. Wir lesen, spielen, kochen und haben uns in unserer neu entdeckten Zweisamkeit viel zu erzählen. Zwischendurch drehen wir noch ein kurzes Video für die SchülerInnen unserer Schule.
Samstag 22.11.20
Heute fahren wir dann doch weiter Richtung Leonidio. Da wir es nicht eilig haben, bewegen wir uns auf den Nebenstraßen entlang der Küste Richtung Norden. Irgendwo im Nirgendwo stoßen wir plötzlich in einer Kurve auf eine Polizeisperre und denken, jetzt wird es kompliziert… Ein Polizist winkt uns zur Seite und signalisiert uns dann doch langsam weiterzufahren...erst jetzt erkennen wir den Grund für die Absperrung: auf der Straße liegt ein toter Einheimischer, der wohl bei der Olivenernte einen Herzinfarkt erlitten hat. Gott sei Dank wurde der tote Körper mit einer Decke provisorisch abgedeckt, um den Passanten den Anblick zu ersparen. Trotzdem sind wir etwas erschrocken.
Der weitere Weg führt uns ins Landesinnere, die Straße steigt langsam aber stetig an, sodass wir uns schon bald auf über 1000 Meter Höhe befinden. Ungläubig werfen wir immer wieder einen Blick auf die Außentemperaturanzeige: am höchsten Punkt sind es gerade einmal 6 Grad! Das ist wohl der Vorgeschmack auf Deutschland. Wir fahren durch Nadelbaumwälder, ein ungewohntes Bild für unsere vom Meer geprägten Augen. Doch noch außergewöhnlicher sind die Laubbäume und Sträucher, die so bunt in allen Herbstfarben leuchten. Diese bunte Jahreszeit haben wir glatt übersprungen.
Das schöne Örtchen Kosmas liegt weit oben in den Bergen. Beliebt ist es bei Wanderern, aber auch hier ist die Saison vorbei. Wir steigen kurz aus, aber zum verweilen ist es uns definitiv zu kalt. Lieber folgen wir der Serpentinenstraße wieder runter ans Meer. Wir fahren vorbei an steilen Felswänden und einer großen steilen Höhle in der eine Ziegenherde im Fels wohnt. Wir bestaunen von unten eines der Klöster, das in den Fels gehauen zu sein scheint. Die ganze Gegend ist ein Kletterer-Paradies. Immer wieder parken Camper in den kleinen Ausbuchtungen entlang der Serpentinenstraße und man sieht wagemutige Kletterer im Fels hängen.
In Leonodio gibt es noch einen der wenigen geöffneten Campingplätze. Auch hier ist nicht mehr viel los. Auf dem Gelände verteilt steht höchstens ein Dutzend Camper. Wir stehen vorne am Strand und lauschen wieder den vertrauten Meeresgeräusche zum Einschlafen.
Samstag 23.11.20
Eigentlich wollten wir heute weiterfahren, doch mal wieder ändern wir spontan unseren Plan. Wir kommen mit zwei Pärchen ins Gespräch, die hier den gesamten Lockdown verbracht haben. Sie empfehlen uns unter anderem die Wanderung zum St.Nikolas Kloster.
Also warum nicht auch eine Wanderung machen und diese beeindruckende Felslandschaft würdigen?
Zuerst fahren wir mit den Rädern durch Leonidio und folgen dem Flusstal vorbei an uralten Olivenbäumen bis die Straße wieder serpentinenartig ansteigt. Wir schließen unsere Räder an einen Olivenbaum an und wandern zu Fuß weiter. Die schmale Straße, die zum Kloster führt, ist immer wieder mit Gattern versperrt, die man nach dem passieren wieder verschließen soll. Damit soll verhindert werden, dass die hier weidenden Ziegenherden entweichen können. Und tatsächlich hören wir schon bald wildes Ziegenglockengeläut. Noch können wir keine Ziegen entdecken, als plötzlich ein großer Hund vor uns auf der Straße auftaucht. Er bellt fürchterlich, knurrt uns an und kommt schrittweise näher. Sven greift sich zwei große Steine zur Verteidigung und so mache ich es ihm nach, dabei frage ich mich, ob ich es tatsächlich übers Herz bringen würde, nach dem Hund zu werfen? Mir klopft das Herz bis zum Hals. Zum Glück tritt bald darauf eine ältere Frau mit Hirtenstab aus dem Gebüsch und zieht den Hund mit dem Stab an sich & hält ihn fest. Wir passieren die Beiden und gehen um die nächste Biegung. Wir haben uns noch nicht wieder richtig von dem Schrecken erholt, da stehen sie: rund hundert große Ziegen, die uns ebenso überrascht anschauen wie wir sie. Es sind große Tiere mit gedrehten Hörnern. Viele tragen eine große Glocke um den Hals, was eine wunderschöne Geräuschkulisse entstehen lässt, als wir vorsichtig an ihnen vorbei gehen. Ein tolles Erlebnis! Doch unser Ziel ist noch lange nicht erreicht. Ewig lang schlängelt sich die immer steiler werdende Straße durch die Berglandschaft. Die Aussicht ist immer wieder grandios, in den steilen Felswänden entdecken wir ein paar schwindelfreie Ziegen auf der Suche nach Futter und schließlich sehen wir die weißen Klostermauern inmitten einer Felssteilwand. Wir fühlen uns nach Tibet oder Nepal versetzt und steigen weiter den Berg hinauf. Oben angekommen, freuen wir uns, dass wir nicht aufgeben haben. Wir machen uns nach einer kurzen Rast aber bald wieder auf den Rückweg, da die Sonne bereits hinter den Bergen verschwindet und es spürbar kühler wird. Als wir unsere Räder erreichen ist es im Tal dann richtig kalt geworden und wir brausen schlotternd zurück Richtung Campingplatz. Unterwegs kaufen wir schnell noch in Leonidio Gemüse ein und freuen uns schon auf die letzten veganen Burger aus dem Tiefkühlfach zum Abendessen.
Samstag 24.11.20
Wir ziehen weiter und fahren die wunderschöne Küstenstraße Richtung Norden. Hinter jeder Kurve haben wir einen neuen Blick auf die steil abfallenden Felsen und das Meer. Am späten Nachmittag kommen wir in Nafplio an. Wir finden einen schönen Parkplatz direkt am Meer mit Blick auf die Stadt und die auf dem Berg thronende Burganlage. Die Sonne geht auf der anderen Seite der Bucht über den Bergen unter und taucht alles in orangenes Licht.
Es ist schon dunkel, wir hören gerade einen true crime podcast, als die Polizei neben uns hält und uns mitteilt, dass wir hier nicht stehen bleiben dürfen. Sie wollen uns zunächst auf einen Campingplatz schicken, doch als wir ihnen erklären, dass diese hier in der Gegend alle schon geschlossen sind (was wir so genau gar nicht wissen), sagen sie wir sollen ein paar hundert Meter weiter auf dem großen Hafenparkplatz fahren. Wir sollen aber im Fahrzeug bleiben und unsere Trittstufe nicht ausfahren, da um 21 Uhr die Ausgangssperre beginnt. Also parken wir dort gegenüber mehrerer Pizzarien, die fleißig Pizza per Roller ausliefern. Wir müssen uns sehr zusammenreißen, dass wir nicht auch noch eine bestellen. Pizza bekommt man im Camper nicht alle Tage, aber wir halten uns an unsere Essgewohnheit: nur Frühstück und eine warme Mahlzeit am Tag. Ab 21 Uhr wird es dann deutlich ruhiger um uns herum und es ist kaum noch jemand unterwegs. Nur der Polizei-Pickup schaut immer mal wieder vorbei. Alles safe, die Trittstufe bleibt eingefahren.
Samstag 25.11.20
Nach dem Frühstück spazieren wir los. Zuerst schlendern wir durch die schmalen Gässchen der Altstadt. Alles wirkt sehr ausgestorben, lebt Nafplio doch vom Tourismus. In den Tavernen und Restaurants stapeln sich die Stühle und Tische an denen sonst die Besucher im Freien sitzen. Sämtliche Hotels und Pensionen sind geschlossen. Nichts desto trotz ist es ein schönes Örtchen mit Charme. Der Weg führt uns zahlreiche Stufen hinauf zur kleinen Festung oberhalb der Stadt. Den Weg hoch zur großen Wehranlage ersparen wir uns. Diesmal wollen wir nicht wieder vor verschlossenen Toren enden. Am Bergkamm wo wir herauskommen steht mal wieder eine verlassene Hotelanlage. Da alles zugänglich ist gehen wir auch in diesem lost place auf Erkundungstour. Wir entdecken ein paar Grafitis und staunen über die phänomenale Aussicht: man blickt auf der einen Seite auf die Stadt und den Hafen, auf der anderen Seite Steilküste und Meer soweit das Auge reicht. Von hier oben sehen wir ebenfalls, dass heute Markttag ist, also nichts wie hin. Auf dem Markt werden Obst, Gemüse und Fisch angeboten. Da unsere Vorräte noch reichlich gefüllt sind, schlendern wir nur so über den Markt, ehe wir zum Hafen zurückgehen. Ich spekuliere jetzt auf eine Pizza aus einer der Pizzerien an unserem Parkplatz. Doch ich werde enttäuscht, da sie alle noch geschlossen sind.
Also brechen wir auf; zu einer Bucht, die uns von anderen Langzeitreisenden empfohlen wurde. Auch in dieser abgelegenen Bucht steht ein großes verlassenes Hotel. Wir parken am Strand der Bucht und erkunden anschließend das Hotel. Im Außenbereich des Hotels liegen überwucherte Tennisplätze, eine verrottete Minigolfanlage und ein großer Pool mit verrostetem Sprungbrett. Wir wundern uns über Graffitis am Pool von nackten Menschen - ohne Kopf - später erfahren wir die Geschichte dazu: die deutsche Hotelanlage war ein Nudisten-Hotel, was den Einheimischen zur damaligen Zeit sehr missfiel und als das Hotel dann aufgegeben wurde entstanden die Graffitis: Kopf ab! als Ausdruck der Missbilligung.
Das Hotel hat 8 Stockwerke und so begeben wir uns mutig auf das Flachdach und werden dafür mit einer tollen Aussicht belohnt.
Samstag 26.11.20
Vor einiger Zeit wurden wir von einer Familie auf Instagram angeschrieben. Es sind Freunde von Freunden meiner Cousine. Auch die Vier sind schon länger auf dem Peleponnes unterwegs. Jetzt sind wir in der gleichen Gegend und verabreden uns für den Mittag auf dem Markt in Ermioni. Die Vier sind uns sofort sympathisch, man spürt die gleiche Wellenlänge und Jenny und Johann kennen sich hier richtig gut aus, da sie hier schon einige Monate verbracht haben. Die Kinder Anastasia und Jakob spielen munter auf dem Spielplatz, während wir uns ein bisschen kennenlernen. Die Chemie stimmt und so beschließen wir gemeinsam weiterzufahren und einen Übernachtungsplatz zu suchen. Mit dabei sind auch Kater Casimir und Hund Balu. Als wir einen schönen Platz gefunden haben, von dem aus wir sowohl Sonnenauf- als auch Sonnenuntergang bestaunen können, machen wir noch Lagerfeuer und grillen zusammen. Die Stimmung ist richtig gut und wir verstehen uns super.
Die Vier sind schon sehr lange in ihrem Camper unterwegs: wenn ihr mehr erfahren wollt, schaut unbedingt mal auf ihrem Instagram vorbei: blinkys_reise
Samstag 27.11.20
Ein schöner Tag ohne Wind und mit spiegelglattem Meer. Während die Anderen sich zu Fuß eine hübsche Lagunenstadt um die Ecke anschauen wollen, Hund und Kinder brauchen etwas Auslauf, kommen wir so gemütlich in den Tag. Plötzlich ruft Jenny an: Balu hat einen Rattengiftköder gefressen! Schnell kommen sie zurück und machen ihren Camper fahrbereit, alles was im Weg ist wird kurzerhand auf einen Haufen geschmissen und sie fahren zum Tierarzt. Wir bleiben zurück und passen auf die Sachen und Kater Casimir auf. Zum Glück geht alles gut, Balu bekommt ein Brechmittel und spuckt den Giftköder wieder aus. Für die nächsten fünf Tage muss er noch ein Mittel einnehmen. Gut, dass Jenny gesehen hat, dass er das fiese Zeug gefressen hat und sie somit blitzschnell reagieren konnten.
Am Abend laden uns Jenny & Johann zum Essen ein, sie kochen leckere Kritharaki-Nudeln und Griechischen Salat. Gegessen und geplaudert wird bei uns im Womo während die Kinder in „Blinky“ schlummern.
Samstag 28.11.20
Nach einer (vielleicht letzten?) Runde Morgenyoga und Schwimmen im Meer, müssen wir uns leider schon wieder von den Vier verabschieden. Gerne wären wir alle noch einige Zeit zusammen unterwegs gewesen, aber so langsam müssen wir uns auf den Rückweg zur Fähre machen. Bestimmt war es nicht das letzte Mal, dass wir die sympathischen 4 getroffen haben, denn bekanntlich ist die Welt ja ein Handtuch…
Wir machen noch einen kurzen Abstecher nach Galatas, wo meine Eltern ursprünglich ein Ferienhaus mieten wollten, sie dann aber wegen des Lockdowns doch nicht mehr nach Griechenland kommen durften. Wir frühstücken auf einem Bootssteg mit Blick auf das hübsch auf einer Insel gelegene Städtchen gegenüber und begeben uns dann zum Fähranleger, von dem aus regelmäßig kleine Fährboote übersetzen. Am Ticketschalter werden wir allerdings enttäuscht: aufgrund des Lockdowns ist es uns Touristen nicht gestattet (ohne triftigen Grund) die Fähre zu benutzen. Mittlerweile wurde der Lockdown vom 30.11. bis zum 14.12.20 verlängert. Er gilt für ganz Griechenland, also auch für den Peleponnes, obwohl die Zahlen hier vergleichsweise niedrig sind. Nur Apotheken und Lebensmittelmärkte sind noch geöffnet. Selbst innerhalb der Supermärkte sind Warenregale in denen sich Ware befindet, die nicht „lebensnotwendig“ ist, mit Folie abgehängt und stehen nicht zum Verkauf zur Verfügung… Außerdem herrscht jede Nacht Ausgangssperre.
Doch zurück nach Galatas: wir müssen uns also mit einem Blick auf das nur einige hundert Meter entfernte schöne Städtchen begnügen, es ist aber auch von hier erkennbar, dass auch dort auch alles geschlossen ist.
Weiter geht es zum Kanal von Korinth. Der Kanal verbindet die Meerenge von Korinth mit dem Golf von Saranikos und sollte so den Seeweg verkürzen. Es war also nicht mehr notwendig, die Halbinsel Peleponnes zu umschiffen. Bevor der Kanal gebaut wurde, wurden auf dieser Strecke Schiffe mit Muskelkraft über Land gezogen. Die 75 Meter tiefe Kanalschlucht ist schon beeindruckend. Mittlerweile nutzen aber nur noch kleinere Schiffe von Hobby-Kapitänen diesen Kanal. Das ständig nachrutschende Gestein und starke Strömungen sind problematisch, für größere Schiffe ist der Kanal sowieso nicht breit bzw. tief genug (max. 25m Breite und 8m Tiefe).
Vor Corona gab es immerhin noch die Möglichkeit, einen Bungee-Jump von der Brücke zu riskieren. Doch aktuell wirkt alles sehr ausgestorben und der einstige Touristenhotspot ist menschenleer. Auch gefällt uns die Gegend hier nicht. Auf Park4night wurde hier häufig vor Diebstahl und Überfällen gewarnt. Jetzt so kurz vor dem Abschluss der Reise wollen wir kein Risiko mehr eingehen und beschließen doch noch bis kurz vor Patras weiter zu fahren und doch einen der letzten Campingplätze aufzusuchen. Der Weg dorthin führt uns durch dicht bebautes Gebiet, wir blicken auf nicht enden wollende Häuserschluchten auf der einen Seite und dem Meer, das an die Betonmauer brandet auf der anderen Seite. Wir fahren trotzdem über Land direkt neben der Autobahn, um auch diesen Teil des „Peleponnes“ mitzubekommen (streng genommen gehört dieser Teil der „Handwurzel“ des Peleponnes zu Westgriechenland). Dadurch verdoppelt sich unsere Fahrzeit und so ist es schon lange dunkel, als wir schließlich auf dem Campingplatz Tsolis ankommen.
Samstag 29.11.20
Es ist kalt und ab und an fallen ein paar Regentropfen vom Himmel. Wir werden mit dem Morgenrot wach. Unser Womo steht auf der obersten Terrasse des Platzes und so haben wir einen schönen Blick auf das Meer und die Berge auf der anderen Seite des Korinther Golfes.
Unter uns liegt ein Steg im Meer, wir betrachten den Sonnenaufgang, als zwei Angler ihren Platz neben uns auf dem Steg einnehmen. Wir wollen gerade gehen, als uns einer zuruft: "Dolphin!" Und tatsächlich taucht ein großer Delfin immer wieder vor uns auf und ab und zieht dann weiter.
Aufgrund des Wetters verbringen wir die meiste Zeit des Tages im Womo, waschen Wäsche, laden mal wieder all unsere Technik für die lange Fährfahrt, kochen uns schon mal was für die Überfahrt vor und schauen am Abend noch einen Film.
Samstag 30.11.20
Unsere Fähre nach Venedig legt erst um 23 Uhr ab. So können wir den Tag noch entspannt auf dem Campingplatz verbringen, machen eine letzte Yogarunde auf dem Steg am Meer und packen unsere Rucksäcke für die Fähre. Zum Abschied scheint nochmals die Sonne...bevor es ins winterliche Deutschland geht. Am Nachmittag brechen wir dann auf, wieder entlang der national road neben der Autobahn. In Patras kaufen wir noch ein paar Mitbringsel (Käse, Honig, Oliven, Wein und natürlich Mandarinen!).
Am Hafen angekommen, verabschiedet sich Griechenland mit einem Sonnenuntergang und taucht die mit viel Stacheldraht umfasste Pieranlage in schönes Licht. Um 18 Uhr können wir einchecken und parken danach neben einigen anderen Campern und warten bis wir ab 20 Uhr auf das Schiff dürfen. Wir sind gerade fertig mit Abendessen als Jule & Roland mit ihrem orangenen und mit Prilblumen beklebten T2 „Lilly“ neben uns parken. Wir haben die beiden Kletterfans schon kurz auf dem Campingplatz von Leonodio kennengelernt.
Wir kommen ins Gespräch und sie erzählen uns, dass gerade ein paar Flüchtlinge hastig über den Stacheldrahtzaun geklettert sind. Die armen Teufel werden versuchen, versteckt unter den zahlreichen LKWs als blinde Passagiere auf die Fähre zu gelangen. Auf dem großen Hafengelände drehen zwei Polizeiwägen mit Blaulicht ihre Runde. Viele der wartenden LKWfahrer schauen wiederholt in ihren Frachtraum und mit Taschenlampen unter ihr Fahrzeug. Auch unser Womo wird gründlich von einem Polizeibeamten durchsucht, als wir an der Passkontrolle stehen. Wir müssen alle Türen öffnen, als sich von hinten zwei schwarz vermummte Männer dem Auto nähern. Sie kommen sehr nahe, sodass uns die Situation komisch vorkommt. Sven stellt sich hinten an das geöffnete Auto und ich frage den Grenzbeamten: „Do these guys belong to you?“ Seine Antwort ist knapp: „Yes. Police!“ Ich entschuldige mich bei den Beamten. Diese nehmen es mit Humor und einer antwortet in englisch und theaterreifer Pantomime, dass er mit seinem schwarzen, tief ins Gesicht gezogenen Kapuzenpulli auch wirklich etwas unheimlich aussieht. Dann dürfen wir weiter Richtung Fähre fahren. Vor dem Schiff stehen wieder Beamt*Innen. Wieder wird jeder LKW ausgeleuchtet und abgesucht. Diesmal ist auch ein Spürhund beteiligt. Und tatsächlich schlägt er bei dem LKW neben uns an. Der Hundeführer brüllt etwas unter den LKW, kurz darauf krabbelt ein Mann aus dem Radstand hervor. Seine Kollegen nehmen den Mann in Empfang. Festung Europa!
Viele Flüchtlinge harren wohl oft sehr lange in den Hafenstädten aus und versuchen immer wieder ihr Glück, meist in Gruppen, sodass vielleicht einer es zumindest bis Italien schaffen kann…
Nachdem wir unser Womo im Bauch des Schiffes geparkt haben und unsere Rücksäcke in der „Deckpassage“ verstaut haben, begeben wir uns noch einmal ans Hinterdeck und schauen der Beladung und den Fahrzeugkontrollen zu. Die Realität der Flüchtlinge so unmittelbar mitzubekommen beschäftigt uns noch lange. Irgendwann haben wir aber genug vom rußigen Qualm des Schiffes und gehen zurück an unsere Plätze.
Das Schiff Asterion II ist das gleiche wie bei der Hinfahrt, wir belegen wieder dieselben Sofas (Sven versucht diesmal sein Glück mit Isomatte auf dem Boden) in der Lounge und bekommen gar nicht mehr mit wie das Schiff später ablegt.
Samstag 1.12.20
Beim frühmorgendlichen Zwischenstopp im Hafen von Igoumenitsas im Norden Griechenlands wiederholt sich das Katz und Maus-Spiel beim Beladen der Fähre mit weiteren LKWs...
Am Vormittag sitzen wir windgeschützt mit Jule & Roland an Deck in der Sonne und unterhalten uns. Ihre Erlebnisse findet ihr auch auf Instagram: juleundroland
Als wir an Albanien vorbeidümpeln (die Fähre bewegt sich laut Roland mit weniger als 30 km/h), will Monique kurz ein Bild auf whatsapp öffnen: Zack! Ohne Vorwarnung 60€ Gebühr weg. Danach kappt der Anbieter die Internetverbindung und schnell wird wieder der Flugmodus eingeschaltet.
Den wolkigen Nachmittag nutzen wir zum Fotos sortieren. Insgesamt sind in den 4 Monaten rund 10.000 Fotos zusammengekommen ;)
Da die erste Nacht an Bord nicht so erholsam war, schlafen wir nach dem Abendessen schon ein, während der Film noch auf dem Laptop vor sich hin läuft.
Samstag 2.12.20
Die zweite Nacht an Bord haben wir besser geschlafen. Nach einer Dusche mit Seegang kommen wir frühmorgens in Venedig an. Zur Begrüßung gibt es Schneeregen, der dann auf dem Weg Richtung Mailand in dicke Schneeflocken übergeht. Winter! Ein ungewohnter, aber auch schöner Anblick. Wir kommen auf den „Luxus-Autobahnen“ gut voran, fahren aber vorsichtig, immerhin schwankt die Außentemperatur zwischen 0-3 Grad. Der Weg durch die Alpen mit Fernpass in Österreich erschien uns zu waghalsig, weshalb wir lieber durch die Schweizer Täler fahren, auch T2 „Lilly“ wird diesen Weg fahren (aber mit maximal 80kmh).
Wir schaffen es tatsächlich bis zum Abend nach Mutterstadt. Noch weiß keiner, dass wir jetzt schon nach Hause kommen! Wir haben nicht erzählt, dass wir die Fähre vorgebucht haben. Wir parken deshalb zwei Straßen weiter. Ich habe mich mit meinen Eltern für diesen Abend zum Videotelefonieren verabredet. Die Ausrede warum ich jetzt doch auf dem Festnetz anrufe lautet, dass wir kein ausreichendes Internet auf unserem Campingplatz hätten. Während wir zum Haus schleichen telefonieren wir eine Weile, dann huschen wir in den Garten und verstecken uns hinter dem Windschutz neben der Terrasse. Während das Telefonat munter weitergeht entzündet Sven eine Leuchtfackel und wir rennen auf die Terrassentür zu, hinter der meine Eltern sitzen und mit mir telefonieren. Meinen Papa höre ich durchs Handy ausrufen: „Guck mal! Was ist denn da draußen los?“ Die beiden stehen wie angewurzelt da und schauen lange mit geöffnetem Mund nach draußen...dann wiederholen beide immer wieder „Nee. Das gibt‘s doch nicht!“ Als die Beiden sich dann endlich aus ihrer Schockstarre lösen und nach draußen kommen, brechen wir alle in freudiges Lachen aus und umarmen uns lange. Auch ein paar Freudentränen sind dabei…
Genau 4 Monate waren wir jetzt unterwegs!
Schön für eine gewisse Zeit mal wieder zu Hause zu sein!
Es wird aber gewiss ein paar Tage dauern, bis wir uns in unserer „Riesenwohnung“ wieder zurechtfinden…
Danke für euer Interesse an unserer Reise!
Wir wünschen euch Allen einen guten Start ins neue Jahr 2021!
Wir sind schon jetzt gespannt, wie es für uns und unsere Reise dann weitergehen wird und wohin uns der Weg führt. Bis dahin genießen wir die Zeit mit unseren Liebsten.
Bleibt alle gesund!
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